Sparkassen gegen Kartell der Privatisierer

von Beate Landefeld

Als Mitte 2005 die Übernahme der Hypovereinsbank, damals zweitgrößte deutsche Bank, durch die italienische Unicredito begann, löste dies in der Wirtschaftspresse aufgeregte Spekulationen über die Zukunft des Bankenstandorts Deutschland aus: “Wird es bald keine große Bank in deutscher Hand mehr geben?” Die Autorengruppe, die diese Frage im Spiegel stellte, hatte auch eine Lösungsidee: “Die Übernahme der HVB…hat die Branche aufgeschreckt. Jetzt wird auch das große Tabu des deutschen Kreditwesens in Frage gestellt – die Existenz des öffentlich-rechtlichen Sektors.”i Die Welt sah Handlungsbedarf bei den privaten Banken: “Die Deutsche Bank muß nach der Alpenhochzeit Farbe bekennen”, so Welt-Autor Eigendorf. Den Grund für ihren Abstieg auf Platz 15 in Europa sah auch er in der “fehlenden Konsolidierung auf dem Heimatmarkt”, welche zweifelsohne dadurch erschwert werde, “daß rund zwei Drittel des Marktes in den Händen von staatlichen Instituten und Genossenschaftsbanken” seien. Mögliche Zukaufsobjekte seien mit dem Wegfall der HVB rar geworden, so daß es kaum eine Alternative “zur Übernahme der Commerzbank oder auch der Postbank” gebe, “wenn der Marktführer auf dem Heimatmarkt und somit auch an der Börse an Gewicht zulegen will.”ii

Fusionen und Übernahmen im Finanzsektor

Gewicht an der Börse zu haben, ist nötig, um im internationalen Prozeß der Konzentration und Zentralisation eine “aktive Rolle” zu spielen, das heißt, andere zu übernehmen, statt selbst übernommen zu werden. Während es in den Fusionswellen Mitte der 80er und 90er Jahre bei den Versicherungen zu größeren, die Landesgrenzen überschreitenden Zusammenschlüssen kam, haben die Banken ihre Monopolstellungen zunächst vor allem auf nationaler Ebene ausgebaut. Spektakuläre grenzüberschreitende Fusionen großer Institute, wie die Übernahme von Bankers Trust (USA) durch die Deutsche Bank, waren die Ausnahme. Für grenzüberschreitende Zukäufe war der Erwerb kleinerer Institute oder von Beteiligungen an Banken anderer Länder typisch. Hiervon haben die europäischen Großbanken rege Gebrauch gemacht und ihre Marktanteile international ausgebaut.iii Im Zuge der Fusionen auf nationaler Ebene fomierten sich in fast allen Ländern des alten Europa “wenige nationale Führungskonzerne, die ihren Aktionsradius international erweitern.”iv Die in Deutschland führenden privaten Finanzkonzerne Deutsche Bank, Allianz (mit der Dresdner Bank) und Commerzbank diversifizierten durch Zukäufe ihre Geschäftsfelder, vor allem in Richtung Investmentbanking und gingen aus den Konzentrations- und Zentralisationsprozessen gestärkt hervor. Zum Leidwesen der deutschen Wirtschaftspresse zogen jedoch mittlerweile andere “europäische Champions” des Bankensektors an ihnen vorbei. Institute wie die spanischen Banken Santander oder BBVA, die französischen BNP Paribas und Société Générale liegen heute in der Marktkapitalisierung vor der Deutschen Bank oder der Commerzbank.v Die Hypo-Vereinsbank wurde von Unicredito geschluckt.

Auf globaler Ebene wird der Finanzsektor ohnehin von US-Instituten dominiert. Seit Jahrzehnten wird das Gros der weltweiten Wertpapierumsätze an US-Börsen getätigt. Die Deregulierung des Finanzsektors ermöglichte auch in den USA den Zusammenschluß großer regionaler Geschäftsbanken und hat den Fusionsprozeß generell beschleunigt. Mit der Citigroup entstand der größte Allfinanzkonzern der Welt. Vor allem aber dominiert das Finanzkapital der USA bei den für den weltweiten Konzentrations- und Zentralisationsprozeß so wichtigen Investmentbanken: Von den 15 nach Marktanteilen größten Investmentbanken der Welt kamen 2001 zwölf aus den USA.vi Unter den ersten 10 befand sich zu diesem Zeitpunkt auch schon die Deutsche Bank, die nach Erträgen im Investmentbanking 2004 sogar weltweit Platz 3 einnahm.vii Unter den Versicherungen nimmt die Allianz weltweit Platz 2 ein, hinter dem US-Versicherer AIG. Allerdings hat sich das von Allianz und Dresdner Bank vertretene Konzept des Allfinanzkonzerns (Banken und Versicherungen unter einem Dach) nur bedingt durchgesetzt. Die Zusammenlegung des Einlagen- und Kreditgeschäfts mit Versicherungen spielte bei Fusionen nicht so eine große Rolle wie die Verbindung mit Investmentbanking.viii Konzentration auf Investmentbanking bei Ausgliederung und Vernachlässigung des Massengeschäfts (z. B. mit Mittelstands- oder Konsumentenkrediten) und rigide Rationalisierungen, verbunden mit massivem Arbeitsplatzabbau galten als Erfolgsrezept für Deutsche Bank-Chef Ackermann, um in den vergangenen Jahren wichtige Schritte zu seinem Ziel durchzusetzen, “aus Deutschland heraus eine der führenden Banken der Welt zu bauen”.ix Wie andere private Banken bemüht sich jedoch auch die Deutsche Bank in letzter Zeit verstärkt um die Rückgewinnung verlorengegangener Marktanteile im Massengeschäft. Dem dienten Zukäufe auf dem Heimatmarkt, wie 2006 der Zukauf der Berliner Bank und der Norisbank.x

Massengeschäft – Domäne der Sparkassen

Das Massengeschäft, auch Retailbankingxi genannt, ist die eigentliche Domäne der Sparkassen. Die ersten Sparkassen wurden bereits Ende des 18. Jahrhundert als “Armenkassen” gegründet, die den unteren Schichten das Sparen nicht nur ermöglichen, sondern auch beibringen sollten. Im 19. Jahrhundert breiteten sich die Sparkassen zunächst als Gemeinde- oder Stadtsparkassen, später auch Kreissparkassen überall im Land aus. 1836 gab es 280 Institute, 25 Jahre später schon 1 200. Kurz vor dem ersten Weltkrieg betrieben die Sparkassen rund 7000 Filialen und verwalteten etwa 20 Milliarden Mark. Sie begannen, Unternehmenskredite zu vergeben und Geld in Wertpapieren anzulegen, wodurch sie zu einer Konkurrenz für die privaten Großbanken wurden. Diese beschwerten sich schon damals über das “bankmäßige Verhalten” der einstigen Armenkassen.xii Die Konkurrenz zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Sektor der deutschen Finanzwirtschaft dauert also schon länger als 100 Jahre, die meisten davon ohne EU-Kommission.

Zum öffentlich-rechtlichen Sektor gehören heute neben 463 Sparkassen vor allem die 11 Landesbanken, die als Girozentralen der Sparkassen und Hausbanken der Bundesländer fungieren, 11 Landesbausparkassen, 12 Versicherungen der Sparkassen und auf Bundesebene die Dekabank, entstanden aus der Fusion der Deutschen Girozentrale mit den Investmentfondsaktivitäten des Sparkassensektors (Deka-Fonds).xiii Juristisch unterliegen Sparkassen einer “gemeinwirtschaftlichen Orientierung”, die in den einzelnen Landessparkassengesetzen geregelt ist. Darunter wird die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen verstanden, die Förderung der regionalen Wirtschaft auch in strukturschwachen Gebieten (Regionalprinzip) und schließlich die Verwendung eines Teils der recht stabilen Gewinne für gemeinnützige Zwecke auf kommunaler und regionaler Ebene. Tatsächlich betrug die Zahl der Kundenkarten Ende 2005 bei den Sparkassen im Vergleich zu den privaten Banken das 2,5-fache, die Höhe der Spareinlagen das 3-fache.xiv 2004 wurden vom Sparkassensektor 43,2% der Mittelstandskredite, 68,8% der Handwerkskredite und 44,1% der Kredite aus KfW-Förderprogrammen vergeben.xv Im gleichen Jahr gaben die bundesdeutschen Sparkassen laut Handelsblatt 353 Millionen € für gemeinnützige Zwecke aus und unterhielten 600 Stiftungen, ausgestattet mit einem Kapital von mehr als 1 Milliarde €. Sie gehörten in vielen deutschen Regionen zu den größten Arbeitgebern und Steuerzahlern.xvi

Die Eigenkapitalrenditen von 9-10%, die die Sparkassen jährlich einfahren,xvii nehmen sich bescheiden aus neben den Renditezielen von 25-30%, die Josef Ackermann unter dem Jubel der Wirtschaftspresse den Aktionären der Deutschen Bank gewöhnlich verkündet und die er auch erzielt, vor allem dank Investmentbanking, Vermögensverwaltung und -steigerung für Großkunden, inklusive Geschäften mit “alternativen Investments” à la Hedge-Fonds und Private Equity. Allerdings ist Investmentbanking schwankungsanfällig. Dem Platzen der New Economy-Blase 2000 folgten im Investmenbanking ein paar Jahre der Dürre. Erst steigende Aktienkurse und niedrige Zinsen brachten den Investmentbanken wieder hohe Gewinne.xviii Seit Mitte 2006 haben die andauernde Dollarschwäche, Zinserhöhungen und Immobilienkrise in den USA, die US-Wachstumsdelle sowie ihre möglichen Folgen für Asien und die Rohstoffmärkte, keine große Euphorie an den Aktienmärkten aufkommen lassen. Auch Warnungen vor einem “Platzen der Private Equity-Blase” mehren sich.xix Die weniger durch Wachstum als durch neoliberale Umverteilung von unten nach oben in den reichen Ländern vorhandene Liquiditätsschwemme steigert die Hektik bei der Suche nach Anlagemöglichkeiten. Das verursacht immer dort Blasen, wo gerade das meiste Geld hinströmt. Bei Private Equity wurden die Preise für Unternehmenskäufe so in die Höhe getrieben, daß die erwarteten Renditen immer schwerer zu erzielen sind. Angesichts der hohen Labilität der Finanzmärkte ist es verständlich, daß fast alle privaten Großbanken, die sich in den vergangenen Jahren stark auf Investmentbanking, Private Equity u.ä. ausgerichtet haben, seit kurzem wieder bemüht sind, ihr Standbein im Massengeschäft auch auf dem Heimatmarkt zu stärken.xx Da dies am besten durch Aufkäufe von Instituten möglich ist, die in diesem Bereich schon Marktanteile haben, ist der öffentlich-rechtliche Sektor den Privaten als Konsolidierungshemmnis, wie auch als Konkurrenz im relativ stabilen Massengeschäft ein Dorn im Auge.

Machtkartell der Privatisierer

Neben dem Bundesverband deutscher Banken mit seinem Vorsitzenden Klaus-Peter Müller, gleichzeitig Chef der Commerzbank, sind auch die ausländischen privaten oder inzwischen privatisierten Banken, vor allem aus den europäischen Nachbarländern und unterstützt durch ihre jeweiligen Regierungen, daran interessiert, daß der öffentlich-rechtliche Sektor in Deutschland verkäuflich wird. Auch ihnen geht es um Marktanteile.xxi Gemeinsam mit den neoliberalen Binnenmarktregulierern der EU-Kommission hat sich so eine mächtige Lobby für die Privatisierung des Sparkassensektors herausgebildet, die seit Jahren mit Druck und Nadelstichen keine Gelegenheit verstreichen läßt, um das in ihren Augen antiquierte, deutsche Drei-Säulen-Modell zum Einsturz oder zumindest zu einer allmählichen Erosion zu bringen. Bisher wichtigster Erfolg dieses Kartells war 2002 die Entscheidung der EU-Kommission zur stufenweisen Abschaffung der “Gewährträgerhaftung” bis 2005. Darunter sind die Staatsgarantien für Verbindlichkeiten der Sparkassen und Landesbanken zu verstehen, durch die vor allem die Landesbanken bessere Bonitäts-Ratings und Refinanzierungsmöglichkeiten hatten. Diese “Wettbewerbsverzerrung” haben die privaten Banken im Verein mit der EU-Kommission aus dem Weg geräumt.xxii

In der linken Presse zur Kenntnis genommen wurde vor allem der bevorstehende Verkauf der Berliner Sparkasse im Gefolge des “Berliner Bankenskandals”. Das Land Berlin rettete 2001 die in Immobilienspekulation verwickelte Bankgesellschaft Berlin mit einer Kapitalspritze und milliardenschweren Bürgschaft, nicht zuletzt, um die Einlagen verschiedener reicher Investoren und Kunden, auch aus der “politischen Klasse” der BRD, zu sichern. Die EU-Kommmission nutzte die Situation, um die Auflagen für die Genehmigung der Beihilfen so zu gestalten, daß das Land 2007 die Bankgesellschaft einschließlich Berliner Sparkasse “diskriminierungsfrei” verkaufen muß. “Diskriminierungsfrei” ist ein Verkauf in den Augen von EU-Kommisson und privaten Banken nur, wenn auch ein privater Investor den Namen Sparkasse weiterhin führen darf. Dies verstößt gegen das Kreditwesengesetz (KWG) der BRD, in dessen § 40 festgelegt ist, daß dieser Name ausschließlich dem öffentlich-rechtlichen Sektor vorbehalten ist. Es ist kein Geheimnis, daß die EU-Kommission diesen § 40 als “wettbewerbswidrig” ansieht und am liebsten gestrichen hätte, auch wenn man sich zunächst auf einen Kompromiß geeinigt hat, der das Kreditwesengesetz im Fall Berlin unterläuft, aber nicht verändert.xxiii

Gegen den wachsenden Druck in Richtung ihrer Privatisierung wehren sich die Sparkassen und ihr Verband DSGV in einem zähen Abwehrkampf an mehreren Fronten. Dem Wegfall der Gewährträgerhaftung begegneten sie mit einer Stärkung des gemeinsamen Haftungsverbunds aller Sparkassen und Landesbanken.xxiv In der Auseinandersetzung mit der EU-Kommission um den Paragraphen 40 KWG versuchen sie nach dem Kompromiß im Fall Berlin, zu verhindern, daß die Sparkasse Berlin künftig von einem privaten Investor geführt wird, indem sie selbst als Käufer der Landesbank Berlin Holding am Bietergefecht teilnehmen.xxv Gegen das novellierte Berliner Sparkassengesetz, das den § 40 KWG aufweicht, reichte der DSGV Klage ein. In Hessen und Nordrhein-Westfalen wehren sich die Sparkassen gegen Novellierungen der Sparkassengesetze, die die Einführung von handelbaren Stammkapitalanteilen vorsehen und nach Einschätzung des DSGV als Versuch einer “Privatisierung durch die Hintertür” zu bewerten sind.xxvi Auch in anderen Ländern diskutierte Vorhaben weisen in die Richtung einer schleichenden Erosion des Drei-Säulen-Modells. Zwar werden die Politiker von CDU und SPD nicht müde, öffentlich zu beteuern, sie seien für dessen Beibehaltung, doch haben sie oberhalb der kommunalen Ebene schon längst begonnen, es aufzuweichen.

Auf der kommunalen Ebene gibt es schwarze Schafe, wie vor ein paar Jahren die Stadt Stralsund und heute den Düsseldorfer CDU-OB Erwin, die für eine Privatisierung der Sparkassen eintreten. Sie sind jedoch bisher Ausnahmen.xxvii Der Deutsche-Städte-und-Gemeindetag bezieht klar Stellung gegen eine Privatisierung. Den ohnehin finanziell und im Aktionsradius stark eingeschränkten Kommunen würde durch die Privatisierung der Sparkassen weiterer Handlungsspielraum bei Finanzen, regionaler Wirtschaftsförderung und Strukturpolitik dauerhaft genommen.xxviii Dieses berechtigte Motiv der Gemeinden mag durch die Pöstchenvergabe auf kommunaler Ebene verunreinigt sein, es bleibt trotzdem berechtigt. Gegen die Privatisierung des Sparkassensektors spricht sich auch die Gewerkschaft Verdi aus, im Interesse des Erhalts von Arbeitsplätzen und der Verhinderung verschlechterter Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Parallel zu den Sparkassen treten auch die Genossenschaftsbanken für den Erhalt des Drei-Säulen-Modells ein.

Rolle der Landesbanken

Die Ratings der Landesbanken sind nach dem Wegfall der Gewährträgerhaftung nicht merklich gesunken. Die Rating-Agenturen unterstellen, daß im Fall von Liquiditätsschwierigkeiten der Staat auch künftig einspringt, um gesamtwirtschaftliche Schäden einzudämmen, wie er es bei privaten Banken ja auch täte. Die Entwicklung der einzelnen Landesbanken war unterschiedlich. Stärkste Landesbank und viertgrößte deutsche Bank ist heute die LB Baden-Württemberg, die sich auf Mittelstandskunden konzentriert. Dagegen hat die West-LB einen deutlichen Bedeutungsverlust erlitten. Zum Teil liegt die Ursache in ihrer eigenen Geschäftspolitik: So scheiterte die West-LB, einst viertgrößte deutsche Bank, bei ihrem Versuch, sich als internationale Investmentbank zu behaupten, an riskanten Kreditgeschäften ihrer Filiale am Finanzplatz London, die 2002/03 aufflogen.xxix Auch andere Landesbanken fielen durch Skandale auf. Die Bayern LB wurde 2002 in die Kirch-Pleite hineingezogen, nachdem sie durch Kreditgeschäfte ihrer Filiale in Singapur bereits 1997 einen Schaden von 800 Mio € eingesteckt hatte.xxx Abgesehen von solchen Fehlspekulationen hängt der relative Bedeutungsverlust von Landesbanken auch mit dem Rückgang regionaler, staatlicher wirtschaftlicher Tätigkeit zusammen, wie Investitionen in Energiewirtschaft, Verkehrswesen, Wohnungsbau, Bildungs- und Gesundheitswesen oder staatlicher Beteiligungen an Firmen. Hierfür waren die Landesbanken als Hausbanken der Länder früher unentbehrlich. Der neoliberale “schlanke Staat” ist dagegen kein gutes Pflaster für einen öffentlich-rechtlich angelegten Bankensektor.xxxi Dies hat die Landesbanken selbst allerdings keinesfalls gehindert, sich aktiv an den Privatisierungen der letzten Jahrzehnte zu beteiligen und an ihnen mitzuverdienen.xxxii

In der Konkurrenz mit in- und ausländischen Großbanken bieten die Landesbanken mit ihren zur Zeit 8 Instituten in 11 Bundesländern ein zersplittertes Bild. Daher machen sich vor allem die Sparkassen, die neben den Landesregierungen Eigentümer der Landesbanken sind, für mehr Fusionen zwischen Landesbanken in Form von Mutter-Tochter-Modellen und für andere Formen einer “Verdichtung” stark. Auf diese Weise sollen 3-4 große Regionalbanken entstehen.xxxiii Daneben suchen die Landesbanken nach “neuen Geschäftsmodellen”, durch die sie gegenüber den Privaten auf Dauer konkurrenzfähig bleiben. Damit ist meist die engere Verzahnung mit den vor Ort wirkenden Sparkassen gemeint, oft auch die Zusammenlegung von bestimmten Geschäftsbereichen verschiedener Landesbanken. Die Skala reicht jedoch bis zum Einstieg eines privaten Investors (HSH Nordbank) und der Planung von Börsengängen (HSH Nordbank, Nord-LB).xxxiv

Hinzu kommt die Suche nach lukrativen Nischen in der Unternehmensfinanzierung, wie bei der HSH Nordbank und der Nord-LB im Bereich von Schiffs-, Projekt- und Flugzeugfinanzierungen. Alle Landesbanken sind mit Filialen in den reichsten Ländern und “emerging markets” der Welt vertreten. Triebfeder ist dabei die Begleitung ins Ausland expandierender, meist mittelständischer Firmenkunden, aber auch das eigene Interesse an der Erschließung neuer Märkte.xxxv Im Interesse der “Wettbewerbsfähigkeit” wollen die Landesbanken auch die Palette der angebotenen Finanzprodukte und -dienstleistungen erweitern. Als Beispiel, was bei der Suche nach “Produktinnovationen” und “Geschäftsmodellen” herauskommen kann, sei der gemeinsame Einstieg von NordLB, WestLB, Shinsei Bank (Südkorea) und US-Investor Christopher Flowers in die lukrative Verwertung von faulen Krediten erwähnt. Zwar will das gemeinsame Unternehmen im Bereich der Sparkassen “behutsamer vorgehen” als die berüchtigten Schuldeneintreiberfirmen US-amerikanischer Finanzinvestoren, die 20-30% Rendite eintreiben, doch zeigt das Beispiel besonders anschaulich den Spagat auf, den der öffentlich-rechtliche Sektor zwischen gemeinwirtschaftlicher Orientierung und Konkurrenzzwang vollführt.xxxvi

Daß die Vereinigung von Gemeinwohlorientierung und Wettbewerbszwang einer Quadratur des Kreises gleichkommt, zeigt sich auch an den Fusionen und Rationalisierungen bei den Sparkassen und ihren Filialen. Nach Gewerkschaftsangaben haben die Sparkassen seit 2000 rund 23 000 Jobs gestrichen, was einem Abbau von 8% entspricht. Die Zahl der Institute sank zwischen 2000 und 2006 um 17% auf 463. Die Bestrebungen, gemeinsame Service-Firmen zu gründen, in die sogenannte Back-Office-Bereiche (Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung) ausgegliedert werden, bringen, sofern sie nicht mit Arbeitszeitverkürzungen verbunden werden, unterm Strich eine Verringerung der Zahl der Arbeitsplätze. Laut Verdi gab es betriebsbedingte Kündigungen nur in Einzelfällen, jedoch werde Druck gemacht auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen über Aufhebungsverträge. Dies passe kaum zur vermeintlichen Gemeinwohlorientierung, kritisiert Verdi.xxxvii

Gemeinwohlorientierung im Kapitalismus?

Kann es ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaften unter kapitalistischen Bedingungen überhaupt geben? Diese Frage stellt sich nicht erst im Angesicht des neoliberalen Drucks, dem die Sparkassen heute ausgesetzt sind. Sie stellte sich schon nach ihrer Entstehung vor über 100 Jahren. 1916 wurde die Konkurrenz von privatem und öffentlichem Finanzsektor von Lenin wie folgt beschrieben:

“Bei der Vergesellschaftung der kapitalistischen Wirtschaft beginnen mit den Banken die Sparkassen und Postanstalten zu konkurrieren, die ‚dezentralisierter‘ als die Banken sind, d.h. mit ihrem Einfluß in mehr Gebiete, in entlegenere Orte und breitere Bevölkerungsschichten eindringen…Die Handelskammern von Bochum und Erfurt…verlangen, daß den Sparkassen ‚reine‘ Bankoperationen verboten werden und die ‚Banktätigkeit‘ der Postämter eingeschränkt wird. Es sieht so aus, als ob die Bankmagnaten Angst hätten, das Staatsmonopol könnte sich von unerwarteter Seite her an sie heranschleichen. Aber diese Angst geht selbstverständlich nicht über den Rahmen einer Konkurrenz, sagen wir, zwischen zwei Abteilungschefs in ein und derselben Kanzlei hinaus. Denn einerseits verfügen über die Milliardeneinlagen der Sparkassen in Wirklichkeit zu guter Letzt ein und dieselben Magnaten des Bankkapitals; und andrerseits ist ein Staatsmonopol in der kapitalistischen Gesellschaft lediglich ein Mittel zur Erhöhung und Sicherung der Einkünfte für Millionäre aus diesem oder jenem Industriezweig, die dem Bankrott nahe sind”xxxviii

Bei nüchterner Betrachtung gilt diese Einschätzung auch heute, nur daß im heutigen neoliberal regulierten Kapitalismus die Privatmonopole nicht Angst haben müssen, daß das Staatsmonopol sich an sie heranschleicht, sondern der Staat seine Wirtschaftsaktivitäten den Privatmonopolen auf dem Tablett überreicht, um ihnen zu helfen, neue Felder der Kapitalverwertung zu erschließen und im internationalen Konzentrations- und Zentralisationsprozeß eine “aktive Rolle” zu spielen. Das schließt durchaus ein, daß auch heute Staatsbanken einspringen, um Einkünfte für Millionäre zu sichern, wie wir es in jüngerer Zeit erleben konnten, als mehrere Landesbanken sich eilfertig bereit zeigten, an einer “Finanzlösung” mitzuwirken, die es Daimler-Chrysler ermöglichen sollte, ein Drittel seiner Anteile am angeschlagenen Rüstungs- und Luftfahrtkonzern EADS zu versilbern, um sich im Interesse seiner Aktionäre besser auf das “Kerngeschäft” fokussieren zu können.xxxix

Fast überflüssig, zu erwähnen, daß unter den institutionellen Investoren von Daimler-Chrysler, genau wie bei den meisten anderen Großkonzernen unseres Landes, der DWS-Fonds der Deutschen Bank ebenso zu finden ist, wie der Deka-Fonds der Sparkassengruppe, nach dem DWS-Fonds zweitgrößter Publikumsfonds der BRD, sowie Union Invest, die Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken, die an vierter Stelle steht. Die Fondsgesellschaften der drei Säulen der deutschen Finanzwirtschaft unterscheiden sich in ihren Investmentaktivitäten kaum voneinander. Allerdings ist der Anteil der Spezialfonds, in die die Gelder der Superreichen fließen, bei den Privaten deutlich höher.xl Das ändert nichts daran, daß alle Fonds, auch wenn sie das Kapital von Kleinanlegern oder Beiträge der privaten Altersvorsorge sammeln, in dieselbe Richtung wirken, wenn es darum geht, Druck zu entwickeln, damit die Konzerne durch Lohnkostensenkung die Mehrwertrate steigern und vor allem die Ausschüttungen erhöhen.

Kaum Unterschiede zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Banken sind auch auf der Ebene der Aufsichtsräte der größten deutschen Konzerne auszumachen, wenn man die KfW-Bank des Bundes einbezieht. Zwar sind Deutsche Bank, Allianz und Commerzbank in den Aufsichtsräten am häufigsten vertreten, doch bekleidet zum Beispiel West-LB-Chef Fischer nach dem Tod seines Vorgängers Friedel Neuber den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns RWE quasi in Erbfolge, ohne daß die Strompreise auch nur die geringste Gemeinwohlorientierung erkennen ließen. In letzter Zeit tut sich Fischer auch als ein “Mann mit Visionen” für das öffentlich-rechtliche Lager hervor. Wenn er davon schwärmt, daß alle deutschen Sparkassen mit einer Bilanzsumme von 3 300 Mia € “zusammen die größte Bank der Welt” bilden könnten, und dafür plädiert, dieses Potential unter öffentlich-rechtlichem Dach zu bündelnxli, so ist leider nicht zu erwarten, daß eine solche Bündelung für die Interessen der arbeitenden Menschen etwas bringen würde. Eher ist zu fürchten, daß die Spitze der WestLB nach Wegen sucht, wieder stärker in der Oberliga der Global Players mitzuspielen, was die Konten und Spareinlagen der Bevölkerung bei den Sparkassen bestimmt nicht sicherer machen würde.

Das gewerkschaftsnahe Institut für Arbeit und Technik empfiehlt in einer Studie zur Zukunft der Sparkassen den genau entgegengesetzten Weg. Es rät den Sparkassen, sich auf ihre wichtigste Stärke, das Regionalprinzip, zu konzentrieren: “Das Regionalprinzip sorgt dafür, daß das in den Regionen angesparte Geld zumindest zum Teil auch dort reinvestiert wird und nicht auf Grund besserer Renditeaussichten ausschließlich in die Boomregionen fließt.” Gefährlich sei es, wenn “sich aufgrund der Angriffe auf die Sparkassen ihr Selbstverständnis als öffentlich-rechtliche Institution verringert”. Um Privatisierungsbestrebungen im Vorfeld abzuwehren, müßten Sparkassen sich als Institute profilieren, die ein Mehr an Wert für die Region erbringen und dies auch unter Beweis stellen.xlii

Dem kann noch hinzugefügt werden, daß Spielräume, die öffentlich-rechtliche Sparkassen den Kommunen bieten, nachhaltig nur dann nutzbar sind, wenn es zu einem Mehr an Bewegung beim Widerstand gegen die Umverteilung von unten nach oben, gegen Sozial- und Demokratieabbau kommt. Das Ausmaß, in dem Staatseigentum im Kapitalismus dem Gemeinwohl Rechnung tragen muß, wird letztlich immer vom politischen Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital abhängen. Demokratische Veränderung der Kräftekonstellationen schließt dabei breiteste Bündnisse mit verantwortungsbewußten Kommunalpolitikern aller Parteien, mit Mittelständlern und anderen Schichten durchaus ein. Der Kampf gegen Privatisierungen muß mit der Forderung nach mehr Einfluß, Mitbestimmung und demokratischer Kontrolle der arbeitenden Menschen in Staat, Betrieb und Gesellschaft verbunden werden. Die Kräfte für eine alternative, mehr am Gemeinwohl orientierte Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik müssen so stark werden, daß der neoliberale Umbau gestoppt und eine Wende in der Politikrichtung erreicht werden kann.

(aus: Marxistische Blätter 3/2007)

iBalzli, Pauly, Reuter: Risse im System. Der Spiegel 25/2005, S. 86

iiJörg Eigendorf: Die Deutsche Bank muß nach der Alpenhochzeit Farbe bekennen. Die Welt 14.6.2005, S.10

iiiJörg Huffschmidt: Politische Ökonomie der Finanzmärkte. Hamburg 2002, S. 69ff.

ivEbenda, S. 71

vVgl. Tabellen in: Der Spiegel, 25/2005, S. 87 und Handelsblatt 6.2.2006

viHuffschmidt, S. 82

viiChristoph Pauly: Kartell der Kassierer. Der Spiegel 3/2006, S. 61

viiiHuffschmidt, S. 75

ix“Wir brauchen mehr starke Banken”, Josef Ackermann im Gespräch mit dem Handelsblatt. HB 14.6.2005, S.2

xRolf Benders: Zurück zu den Wurzeln. Leitartikel HB 7.8.2006

xiLohnkonten, Sparkonten, Konsumentenkredite, Mittelstandskredite, Bausparen, Altersvorsorge, Kreditkarten, u.ä.

xiiStefan Kaiser: Das Geld der kleinen Leute. Tagesspiegel 2.9.2006.

xiiiDaneben gibt es 7 “freie Sparkassen”, die nicht öffentlich-rechtlich sind, z. B., die Hamburger Sparkasse. Die KfW als Förderbank des Bundes ist zwar öffentlich-rechtlich, gehört aber nicht zur Sparkassen-Finanzgruppe.

xivTabelle “Banken in Deutschland”, Der Spiegel 33/2006, S. 68

xvTabelle “Mittelstandsengagement”, HB 20.2.2006

xvi“Öffentlich redlich” – Grafik in Handelsblatt 6.2.2006

xviiBei den Landesbanken sind es ca. 15%. Vgl. Fußnote 16 sowie HB 24.1.2007, S. 25 und HB 25.1.2007, S. 21

xviiiPauly, Der Spiegel 3/2006, S. 60f

xixVgl. “Bedrohliche Mega-Deals – KKR-Chef Huth warnt vor einer Liquiditätsblase im Beteiligungsmarkt”, HB 28.11.2006, S. 25

xxSo bietet die Commerzbank, deren traditioneller Kundenstamm sicher nicht aus “armen Schluckern” besteht, seit Anfang 2007 kostenlose Girokonten an. Vgl. HB 15.1.2007, S. 24. Siehe auch: Fußnote 10

xxiVgl. EZB-Chef Trichets Forderung nach der vollen “Öffnung des öffentlich-rechtlichen Segments des Bankensektors” in einem einheitlichen Finanzmarkt des EURO-Währungsraums, dem das deutsche Drei-Säulen-Modell im Wege stünde. HB 18.12.2006

xxiiSiehe unter Wikipedia: Stichwort “Brüsseler Konkordanz”

xxiiiGerd Niewerth: Schutz für Sparkassen bleibt umstritten. WAZ 7.12.2006

xxivPresseerklärung des Sparkassenverbunds Baden-Württemberg 27.1.2005: “Wegfall Gewährträgerhaftung – Umfassender Einlagenschutz bleibt garantiert.”

xxvBis Ende März 2007 traten neben dem DSGV drei Landesbanken als Bieter an, die im Erwerb wohl eine Chance sehen, ihre eigene Position im Konsolidierungsprozeß der Landesbanken zu stärken. HB 30./31.3./1.4. 2007, S. 22

xxviVgl. HB 27./28./29.1.2006, S. 27. HB 9.2.2006, S. 22. HB 27.6.2006

xxviiEs gibt auch “weiße Schafe”, wie den CDU-OB der Stadt Braunschweig, der eine Sparkasse neu gründen will.

xxviii“Sparkassen erhalten Schützenhilfe”, HB 27./28./29.1.2006, S. 27

xxixMarc Brost und Marcus Pfeil: Der Fall WestLB. DIE ZEIT 31.7.2003 Nr.32

xxxFakten aus: Wikipedia, Stichwort “Bayerische Landesbank”

xxxiIn NRW kam es 2002 zur Aufspaltung der WestLB in eine stark reduzierte, landeseigene NRW-Bank und eine WestLB AG, an der das Land NRW seine Anteile laut CDU/FDP-Koalitionsvertrag verkaufen will.

xxxiiVgl. “Nord-LB verkauft Immobilien”, HB 14.7.2005, S. 18

xxxiii“Fischer forciert Fusionsdebatte”, HB 17./18./19.11.2006, S. 29. Auch: Spiegel 25/2005 S. 88

xxxiv“Neue Geldquellen gesucht”, HB 22.8.2006, S. 23 und “Sparkassen gegen Börsengang”, HB 1.3.2007, S. 28

xxxv“Das Auslandsgeschäft floriert”, HB 21.2.2007, Beilage LANDESBANKEN, S. B12

xxxvi“Landesbanken kaufen faule Kredite”, HB 7.8.2006, S. 21

xxxviiPeter Köhler und Frank M. Drost: Sparkassen bauen weitere Stellen ab, HB 25.6.2006

xxxviiiW.I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: Ausgewählte Werke II, S. 677f.

xxxix“Banken prüfen EADS-Engagement”, HB 30.10.2006 und “Finanzclub für EADS-Paket steht”, HB 19.12.2006. Am Ende beteiligten sich private Banken zu 60% und öffentliche Investoren zu 40% an der Finanzspritze, wobei Daimler seine gesamten EADS-Stimmrechte behielt. Vgl. “Macht bei EADS bis 2010 gewahrt”, HB 12.2.2007.

xl“Dekabank verspricht Neustart”, HB 9.2.2006, Seite 26

xliBalzli u.a., Der Spiegel 25/2005, S. 88

xliiSparkassen als Akteure einer integrierten Regionalentwicklung. Graue Reihe des Instituts für Arbeit und Technik. 2003-2005, S. 159f.

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